Die 15 größten Missverständnisse rund um digitale Barrierefreiheit

Barrierefreiheit? Klingt erstmal nach Screenreadern und Rollstuhlrampen.
Und genau da fangen die Missverständnisse auch schon an.
Denn digitale Barrierefreiheit ist weit mehr als ein technisches „Nice-to-have“ oder eine Pflicht für Behörden – sie ist ein echter Gamechanger in Sachen Nutzererlebnis, Reichweite und Zukunftssicherheit. Trotzdem halten sich einige Mythen hartnäckig.
Zeit, aufzuräumen – mit den 15 häufigsten Irrtümern.
1. „Wir haben doch Kontrastfarben – das reicht.“
Farben sind wichtig, klar. Aber sie sind nur ein kleiner Teil des Puzzles. Viele Webseitenbetreiber unterschätzen, wie komplex Barrierefreiheit wirklich ist.
Neben Kontrasten geht es auch um saubere HTML-Strukturen, zugängliche Navigationselemente, klare Textformulierungen und alternative Bedienmethoden. Ohne diese bleibt der schönste Farbkontrast eben nur Kosmetik.
2. „Unsere Seite ist responsive – also auch barrierefrei.“
Responsive bedeutet, dass sich die Seite an unterschiedliche Bildschirmgrößen anpasst.
Aber das hat erstmal nichts mit barrierefreier Nutzung zu tun. Eine barrierefreie Seite ermöglicht die Bedienung über Tastatur, Screenreader oder sogar Sprachsteuerung – und bleibt dabei verständlich, logisch und nutzbar. Das Design alleine macht's nicht.
3. „Barrierefreiheit ist nur für Menschen mit Behinderungen.“
Das ist zu kurz gedacht. Denn barrierefreie Inhalte helfen auch älteren Menschen, Personen mit temporären Einschränkungen (z. B. Gipsarm, Migräne), Menschen mit eingeschränkten Sprachkenntnissen oder schlicht bei schlechten Lichtverhältnissen.
Es geht um Nutzbarkeit – nicht nur um gesetzliche Zielgruppen.
4. „Unsere Agentur kümmert sich darum.“
Viele verlassen sich auf Dienstleister – verständlich. Aber am Ende haftet das Unternehmen. Und: Die meisten Agenturen sind UX- oder Marketing-Profis, aber eben keine Accessibility-Spezialist:innen.
Ohne klaren Auftrag und regelmäßige Prüfprozesse schleichen sich Lücken ein, die man erst merkt, wenn’s zu spät ist.
5. „Unsere Zielgruppe braucht das nicht.“
Glückwunsch. Diese Annahme basiert oft auf Bauchgefühl statt Daten. Menschen mit Beeinträchtigungen sind in jeder Zielgruppe vertreten – von Azubis bis zur Geschäftsführung.
Und auch ohne Einschränkung bevorzugen viele Nutzer:innen einfache, strukturierte Inhalte. Barrierefreiheit erhöht also fast immer die Usability für alle.
6. „Ein Plugin löst das Problem.“
Ein Plugin kann ein nützlicher Baustein sein – aber niemals eine vollständige Lösung. Denn Barrierefreiheit betrifft auch Texte, Formulare, PDF-Dateien, Bilder oder Videos.
Es braucht einen systemischen Ansatz: prüfen, anpassen, dokumentieren – und regelmäßig aktualisieren. Alles andere bleibt Stückwerk.
7. „PDFs? Zählen doch nicht…“
Doch, und wie. Gerade im öffentlichen Bereich sind barrierefreie PDFs Pflicht. Dazu zählen z. B. Infomaterialien, Antragsformulare oder Jahresberichte.
Wenn diese nicht zugänglich sind, schließt man ganze Zielgruppen von wichtigen Informationen aus. Und: Sie sind oft der erste Touchpoint, bevor überhaupt jemand die Website nutzt.
8. „Barrierefreiheit macht alles hässlich.“
Ein weitverbreiteter Mythos. Richtig umgesetzt ist Barrierefreiheit heute ein Design-Enabler, kein Klotz am Bein.
Flexible Layouts, moderne Farbkonzepte und adaptive Elemente lassen sich heute nahtlos ins Corporate Design integrieren – ohne optische Einbußen, aber mit deutlich besserer Nutzerführung.
9. „Das ist teuer und aufwendig.“
Das war vielleicht mal so – heute gibt es skalierbare Tools und Services, die schnell integrierbar sind.
Besonders im Vergleich zu den Folgekosten (Support, Rechtsberatung, verlorene Nutzer:innen) ist eine barrierefreie Lösung oft die kosteneffizientere Variante. Und: Fördermöglichkeiten gibt es obendrauf.
10. „Wir machen schon SEO – ist doch ähnlich.“
SEO und Accessibility teilen sich einige Ziele – z. B. saubere Struktur, gute Lesbarkeit, schnelle Ladezeiten. Aber Barrierefreiheit geht tiefer: Es geht darum, Inhalte für ALLE nutzbar zu machen, nicht nur für Suchmaschinen.
Das betrifft z. B. Tastatursteuerung, ARIA-Rollen oder semantische HTML-Auszeichnung.
11. „Barrierefreiheit ist eine einmalige Sache.“
Barrierefreiheit ist ein Prozess. Mit jedem Update, jedem neuen Inhalt, jeder neuen Funktion kann sich etwas verändern.
Wer hier keine laufende Prüfung und klare Zuständigkeiten definiert, riskiert Rückschritte – auch wenn der Ausgangszustand mal gut war.
12. „Unsere Software ist schon 'WCAG-konform' laut Hersteller.“
Das ist ein guter Anfang, aber nur die halbe Miete. Denn viele Schwächen entstehen erst bei der individuellen Nutzung: schlecht benannte Buttons, unklare Fehlermeldungen, nicht überprüfte PDFs.
Konformität auf dem Papier schützt nicht vor Nutzerproblemen.
13. „Unsere Nutzer:innen würden sich schon melden, wenn was nicht geht.“
Leider nein. Die meisten Menschen, die auf Barrieren stoßen, verlassen die Seite einfach – ohne Feedback. Das ist kein Desinteresse, sondern Resignation.
Nur wer aktiv prüft, bekommt echtes Feedback – oder noch besser: verhindert Probleme, bevor sie entstehen.
14. „Wir können das alles intern lösen.“
Vielleicht. Aber nur, wenn Know-how, Zeit und Disziplin vorhanden sind. Externe Checks bringen frische Perspektiven, Benchmarks und Klarheit.
Ohne Unterstützung wird’s schnell unübersichtlich – gerade bei dynamischen Webprojekten mit vielen Beteiligten.
15. „Das ist doch nur eine Masche wegen dem Gesetz.“
Das denken viele – und unterschätzen, worum es eigentlich geht: Gleichberechtigte Teilhabe, digitale Inklusion und Zukunftsfähigkeit.
Natürlich wird Barrierefreiheit durch gesetzliche Vorgaben (wie BFSG oder EAA) angeschoben. Aber der eigentliche Antrieb sollte sein, dass Inhalte für alle Menschen nutzbar sind – ohne Hürden.
Dazu kommt: Barrierefreiheit zahlt auf weit mehr ein als nur den Rechtsrahmen. Sie ist ein echter Performance-Booster. Bessere Conversionrates, höhere Verweildauer, bessere SEO-Ergebnisse und ein ganz neues Qualitätsniveau in der User Experience.
Wer das nur als „gesetzlich motivierten Trend“ abtut, verpasst die Chance, Teil einer strategischen Weiterentwicklung zu sein – sowohl technisch als auch kommunikativ.
Das denken viele – und unterschätzen, worum es eigentlich geht: Gleichberechtigte Teilhabe, digitale Inklusion und Zukunftsfähigkeit.
Natürlich wird Barrierefreiheit durch gesetzliche Vorgaben (wie BFSG oder EAA) angeschoben. Aber der eigentliche Antrieb sollte sein, dass Inhalte für alle Menschen nutzbar sind – ohne Hürden.
Wer das nur als „gesetzlich motivierten Trend“ abtut, verpasst die Chance, sich zukunftssicher und verantwortungsvoll aufzustellen.
Fazit: Wer besser versteht, wird besser gefunden
Digitale Barrierefreiheit ist keine Raketenwissenschaft – aber auch kein Selbstläufer. Sie erfordert Klarheit, Struktur und strategischen Weitblick.
Ich selbst begleite dieses Thema tagtäglich – sowohl in Gesprächen mit Agenturen als auch mit Unternehmen jeder Größe. Viele der hier genannten Missverständnisse erlebe ich regelmäßig im Alltag.
Umso wichtiger ist es, sie sichtbar zu machen und praxisnahe Wege aufzuzeigen, wie Barrierefreiheit einfach und nachhaltig gelingen kann.